Page 14 - MagSi 96
P. 14

bestimmte Zielgruppen und können   gesellschaft, die sich auf (inter-)natio-  chronisch einzustufen. Für eine rasche
        eigene Pflegesprechstunden etablie-  naler Ebene für eine bessere Versor-  Diagnose benötigt es geschultes Perso-
        ren. Der Fokus liegt dabei neben der   gung von Menschen mit chronischen   nal, wie zum Beispiel Pflegefachperso-
        Akutversorgung auf der Förderung der   Wunden einsetzt. Ihr Ziel ist es, Präven-  nen mit erweiterter Fachkompetenz
        Gesundheitskompetenz der Patient*  tion und Versorgung chronischer Wun-  (Storck et al., 2019).
        innen sowie auf der Stärkung von Prä-  den zu optimieren, indem sie standar-
        vention und Gesundheitsförderung   disierte Bildungsprogramme für    CHNs sind wie vormals beschrieben, im
        durch die Etablierung bedarfsgerech-  Wundexpert*innen und Pflegethera-  Bereich „Home Health“ bzw. Strukturen
        ter Angebote. Gerade bei Menschen   peut*innen anbietet. Absolvent*innen   der Primärversorgung tätig und verfü-
        mit komplexen Bedarfslagen, wie zum   dieser Programme sollen eine ganz-  gen über erweiterte klinische Kompe-
        Beispiel durch Multimorbidität oder   heitliche und respektvolle Patient*  tenzen, je nach Berufsbiografie auch
        chronische Erkrankungen, können   innenbetreuung fördern, bei der die   über Zusatzqualifikationen im Bereich
        CHNs den Versorgungsprozess der Pati-  individuelle Lebensqualität im Mittel-  Wundversorgung, zum Beispiel in Form
        ent*innen koordinieren und im Sinne   punkt steht und ein bio-psycho-sozia-  der Basis-Qualifikation „Wundexpert*in
        eines Case-Management-Prozesses   les Verständnis im Vordergrund steht   ICW“. Damit sind CHNs in der Lage,
        steuern (Agnes-Karll-Gesellschaft für   (ICW, 2024).                 frühzeitige diagnostische Maßnahmen
        Gesundheitsbildung und Pflegefor-                                    einzuleiten und entsprechende Weiter-
        schung, 2018; WHO, 2017).         Storck et al. (2019) beschreiben in ihrer   vermittlung zu organisieren, um somit
                                          Arbeit Empfehlungen zur Verbesse-  bereits im frühen Stadium die notwen-
        Laut der Fachgesellschaft Stoma, Konti-  rung des Wundmanagements chroni-  digen Interventionen zu ermöglichen.
        nenz und Wunde e.V. (FgSKW) sind ins-  scher Wunden. Dabei wurde unter   Dabei werden vorhandene Strukturen
        besondere Menschen mit Kontinenz-  anderem ein Schema zur optimalen   genutzt und die fallorientierte Zusam-
        problemen, einer Stomaanlage oder   Versorgung chronischer Wunden, im   menarbeit mit Wundexpert*innen in
        einer chronischen Wunde von mehrdi-  Sinne eines Behandlungspfades aktua-  die Wege geleitet.
        mensionalen Belastungssituationen   lisiert. Vom Erstkontakt, über Diagnos-
        im Leben betroffen. Diese komplexe   tik bis zu Verlaufskontrollen werden die   Im Sinne eines Case- bzw. Disease-
        Problemlage bedürfe einer umfassen-  Rollen von Allgemeinmedizin, fachärzt-  Managements können CHNs dazu bei-
        den Therapiebegleitung durch ge-  licher Versorgung und spezialisiertem   tragen, dass die von Storck et al. (2019)
        schulte Pflegefachpersonen.       Wundzentrum beschrieben. Eine CHN   beschriebenen Behandlungsschemata
        Um entsprechend den aktuellen wis-  kann in diesem Zusammenhang initia-  konsequent verfolgt werden. Durch
        senschaftlichen Erkenntnissen agieren   le Kontaktperson sein. Sie stellt bei-  die Schaffung gesundheitsförderlicher
                                                                             Lebensbedingungen und der Förde-
                                          spielsweise während eines Erst-Assess-
        zu können, müssten die Pflegenden  ©FgSKW
        spezielle Fähigkeiten und Kenntnisse   ments bei einem präventiven   rung von Gesundheitskompetenz tra-
        erlangen, wodurch die Weiterbildungs-  Hausbesuch oder in einer Pflege-  gen CHNs zudem dazu bei, ein bedarfs-
        erfordernis zum „Pflegeexperten Sto-  sprechstunde eine chronische Wunde   gerechtes Umfeld zu schaffen und
        ma, Kontinenz und Wunde“ begründet   fest.                           Zugangshürden, wie Mobilitätsproble-
        wird. Diese Expert*innen sind insbe-  Die Autor*innen beschreiben im Pro-  me, Behandlungsbrüche und fehlen-
        sondere in stationären Einrichtungen   blemaufriss des Artikels, dass es im   des Wissen der Patient*innen zu redu-
        sowie in großer Zahl bei Homecare-  Durchschnitt 3,5 Jahre dauert, bis   zieren.
        Unternehmen im ambulanten Bereich   Patient*innen mit einer chronischen
        anzutreffen (FgSKW, o.J.).        Wunde tatsächlich eine fachärztliche   Letztlich wirkt CHN auch auf der Netz-
                                          Behandlung und kausale Therapiean-  werk- und Strukturebene, da sich das
          Zusammenarbeit von spezifisch      gebote erhalten (Storck et al., 2019).   Berufsbild besonders durch seine
          weitergebildeten Pflegefach-    Je früher eine korrekte Diagnose er-  Bevölkerungsorientierung im Kontext
          personen und Community Health     folgt, umso höher sind die Chancen für   Gesundheitsförderung und Prävention
          Nurses                          eine Heilung. Insbesondere das diabe-  auszeichnet. Storck et al. (2019) fassen
                                          tische Fußsyndrom, Dekubitus und der   in ihrer Arbeit auch die Ergebnisse der
        Die Initiative Chronische Wunden   Ulcus cruris arteriosum sowie venosum   Expert*innen-Arbeitsgruppe „Versor-
        (ICW) ist eine interprofessionelle Fach-  sind von Beginn an per Definition als   gungsstruktur“ des Expertenrats Struk-
                                                                             turentwicklung Wundmanagement
                                                                             zusammen. An erster Stelle für die
                                                                             Empfehlungen zum „Netzwerkaufbau
                                                                             und Umsetzung der Aufgaben“ wird
                                                                             konstatiert, dass die am Prozess betei-
                                                                             ligten Berufsgruppen aus allen Sekto-
                                                                             ren gemeinsam die Aufgaben und
                                                                             Verantwortlichkeiten miteinander
                                                                             aushandeln sollen, um möglichst Syn-
                                                                             ergieeffekte zu erzielen (Storck et al.,
                                                                             2019). Ebendiese Vielfalt an Stakehol-
                                                                             dern und Schnittstellen zu recherchie-
        Abbildung 2: Eigene Darstellung der Fachgruppe CHN                   ren, jene zielgruppenbezogen zusam-

     14                 Nr. 96 · 12/2024                                                             Das Thema
   9   10   11   12   13   14   15   16   17   18   19