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im Bett (IGAP, 2019, S. 7). Durch das Zu- Dekubitusklassifikation nach NPUAP, Aussage vom „Expertenstandard Deku-
sammenwirken von extrinsischen und EPUAP, PPPIA 2014 beschrieben (Exper- bitusprophylaxe in der Pflege“ (2017)
intrinsischen Faktoren kann die Entste- tenstandard Dekubitusprophylaxe in gibt es keine genaue zeitliche Vorgabe
hung eines Dekubitus positiv beein- der Pflege, 2. Auflage 2017). für Wechsellagerungsintervalle, sie soll-
flusst werden (I care, 2020, S. 393 - 394). ten nach Empfehlung des Experten-
Laut Experten ist das Vorhandensein Assessmentinstrumente für standards individuell auf den Patienten
einer Harn- und/oder Stuhlinkontinenz das Dekubitusrisiko angepasst werden. Man unterscheidet
ein unabhängiger Prädikator bei der zwei Arten der präventiven Maßnah-
Entstehung eines Dekubitus. Es wird Assessmentinstrumente sind doku- men zur Dekubitusvermeidung: „druck-
ein geringer Zusammenhang zwischen mentierte Nachweise über Wirksamkeit entlastende Maßnahmen“ und „druck-
einer Inkontinenzassoziierten Dermati- und Versagen von individuellen Thera- verteilende Maßnahmen“.
tis und der Dekubitusentstehung mit pieformen und können die Wahr- Die druckentlastenden Maßnahmen
geringer Aussagekraft beschrieben (Ex- scheinlichkeit von Fehlern im Pflege- werden durch regelmäßige Umlage-
pertenstandard Dekubitusprophylaxe prozess und deren Pflegmaßnahmen rung auf eine andere Körperstelle
in der Pflege, 2. Auflage 2017, S. 65 - senken (Wieczorek, Unterricht Harnin- erreicht, um die vorher druckbelastete
66). Dies bedeutet nicht, dass beim kontinenz, 2024). In der Praxis kommen Stelle vollständig zu entlasten. Bei den
Auftreten von einem Risikofaktor eine diese in erster Linie als Skalen oder als druckverteilenden Maßnahmen ist das
kausale Wirkung eintritt. Viel mehr lässt Checklisten zur Anwendung. Ziel die Druckreduktion an den gefähr-
das Zusammenwirken von mehreren Assessmentinstrumente zur Dekubitus- deten Körperstellen. Dies kann durch
Risikofaktoren die Entstehung eines Risiko-Einschätzung gehören aus ge- Weichlagerungssysteme erreicht wer-
Dekubitus begünstigen (Expertenstan- schichtlicher Betrachtung zu den den. Der Druck wird niedriger, da er
dard Dekubitusprophylaxe in der Pfle- Pionieren in der Krankenpflege auf einer größeren Fläche verteilt wird
ge, 2. Auflage 2017, S. 50 - 51). (Reuschenbach, Mahler, 2020, S. 291). (Brenninger, Unterricht Dekubitus,
Eine Dekubitus-Risikoskala kann als ein 2023).
Instrument definiert werden, das den
Schweregrad verschiedener Risikofak- Technische Hilfsmittel
toren anhand einer vorgegebenen
Punkteskala bewertet. Die ermittelten Laut Definition vom Bundesgesund-
Werte der einzelnen Parameter werden heitsministerium: „Zur Krankenbehand-
lung gehören nicht nur Arzneimittel,
addiert und die Summe gibt Auf-
Bildquelle Klaus Zobel
©FgSKW
oft sind auch technische oder andere
schluss über ein bestehendes Dekubi-
Hilfsmittel medizinisch notwendig, die
tusrisiko. Bei einigen Skalen, etwa der
zusätzlich unterstützen und bei der
Water-Low-Skala, bedeutet ein hoher
Wert auch ein hohes Risiko, bei ande-
ren Skalen verhalten sich die Werte Heilung helfen“ (https://www.bundes-
gesundheitsministerium.de). Hilfsmit-
umgekehrt zum bestehenden Dekubi- tel sollen den Erfolg der Krankheits-
tusrisiko, etwa der Norton- und Bra- behandlung sichern und etwaigen
Dekubitusklassifikationen den-Skala (Reuschenbach, Mahler, Schädigungen, Komplikationen oder
2020, S. 292). Wichtig ist, dass Pflege- Behinderungen vorbeugen. Es ist
Ein Dekubitus wird in unterschiedliche fachpersonen über das Wissen verfü- wichtig zu wissen, dass es nicht das
Schweregrade und in verschiedene gen, welche Assessmentinstrumente EINE richtige Hilfsmittel gibt, sondern
Stadien eingeteilt. Die Stadieneintei- ihrem Patientenklientel entsprechen, für jeden Patienten sollte das Hilfsmit-
lung gibt Auskunft darüber, welche da aktuell kein einheitliches Dekubitus- tel der Situation entsprechend indivi-
Gewebsschichten betroffen sind und Assessmentinstrument universell ange- duell angepasst und eingesetzt wer-
wie weit der Dekubitus fortgeschritten wandt werden kann (Reuschenbach, den. Aktuell gewinnen technische
ist. Diese Klassifikationen geben für die Mahler, 2020, S. 291). Innovationen für die Dekubitusprophy-
weitere Therapie im Rahmen der pha- laxe mehr und mehr an Bedeutung.
sengerechten Wundversorgung ent- Dekubitusprophylaxe beim Smarte, intelligente Matratzen bieten
scheidende Informationen. „In der For- perioperativen Patienten beispielsweise Pflegeunterstützung
schung wird die Bezeichnung „Grad“ rund um die Uhr. Sie sind mit Sensoren
zur Einstufung des Dekubitus kritisch Ziel der Dekubitusprophylaxe ist es, ausgestattet und geben mithilfe spezi-
diskutiert, da hierdurch der Eindruck durch gezielte Maßnahmen die Entste- eller Systeme Auskunft über den Zu-
vermittelt werden kann, dass ein Deku- hung eines Dekubitus und seiner Kom- stand und Zustandsveränderungen
bitus der Einstufung 1 fortschreitet zur plikationen zu verhindern. Um lage- der Patienten. Verschiedene Parameter
Einstufung 4. Des Weiteren werden in rungsbedingte Verletzungen und können von den intelligenten Matrat-
internationalen Leitlinien und im aktu- Komplikationen zu vermeiden, muss zen via Telemetrie oder via App-Funkti-
ellen Expertenstandard zur Dekubi- das Fachpersonal stellvertretend für on erfasst und an das Pflegefachperso-
tusprophylaxe in der Pflege 6 Kategori- den sedierten Patienten handeln. Hier nal weitergegeben werden. Parameter
en zur Einteilung eines Dekubitus ist es wichtig, die Ursache zu kennen wie Feuchtigkeit, Bewegung, Vitalpara-
verwendet“ (IQTIG, 2021, S. 10). Laut und durch gezielte Maßnahmen das meter, Körpertemperatur, Sauerstoff-
„Expertenstandard Dekubitusprophyla- Einwirken von langanhaltenden Druck- sättigung, Körpergewicht und die
xe in der Pflege“ von 2017 wird die und Scherkräften zu verhindern. Laut Abwesenheit vom Bett werden über-
Das Thema Nr. 96 · 12/2024 19