Page 14 - MagSI Magazin Nr. 85_2021
P. 14
Der Expertenstandard
„Beziehungsgestaltung in der Pflege
von Menschen mit Demenz“
Expertenstandards in der Pflege tes Ergebnis benannt, dessen Erreichen de Beziehungsgestaltung in der Pflege
messbar ist. Die Kriterien sind soweit als von Menschen mit Demenz ist, die Per-
xpertenstandards des Deutschen notwendig abstrakt formuliert, um der son des Menschen mit Demenz in den
Netzwerks für Qualitätsentwick- Vielzahl möglicher Pflegesituationen Mittelpunkt zu stellen. Der Fokus liegt
Elung in der Pflege (DNQP) sind und Versorgungsbereiche Rechnung auf der Gestaltung von Beziehung und
Instrumente der pflegerischen Quali- zu tragen. Ihre Umsetzung wird durch es geht vornehmlich darum„wie“ etwas
tätsentwicklung. Sie unterstützen die umfangreiche Kommentierungen un- getan wird und weniger darum,„was“
kontinuierliche Verbesserung der Pfle- terstützt. Damit bieten Expertenstan- zu tun ist. Damit wird ein essentieller,
gequalität in Gesundheits- und Pflege- dards eine Grundlage für die Weiterent- aber vielfach vernachlässigter Bereich
einrichtungen und fördern durch wicklung des Pflegehandelns im der Pflege betont: das in Beziehung tre-
aktiven Theorie-Praxis-Transfer die Hinblick auf bestehende Qualitäts- ten. Förderlich dafür sind eine person-
Professionalisierung der Berufsgruppe. probleme oder zu erwartende Quali- zentrierte Haltung und ein entspre-
Sie definieren ein professionell abge- tätsrisiken für pflegebedürftige Men- chendes Pflegeverständnis, das auf per-
stimmtes Qualitätsniveau, indem die schen in Krankenhäusern, Pflegehei- son-zentrierten Pflegekonzepten und
Qualitätsziele im Rahmen der Experten- men und allen anderen einer entsprechenden Pflegekultur in
standardentwicklung durch die Berufs- Einrichtungsarten. den Einrichtungen beruht. So ist es
gruppe selbst festgelegt werden (DNQP auch in den Strukturkriterien des Exper-
2019a). Begonnen hat das DNQP mit Der Expertenstandard„Beziehungs- tenstandards festgehalten, die ebenso
der Entwicklung von Expertenstan- gestaltung in der Pflege von Men- herausstellen, dass Pflegende eine ent-
standards, beispielsweise zur Dekubi-©FgSKW
sprechend fundierte Wissens- und
schen mit Demenz“
dards im Jahre 1999 und mittlerweile
sind die neun vorliegenden Experten-
Kompetenzbasis zur Pflege von Men-
stellt das Bedürfnis und den Bedarf von
tusprophylaxe, zur Kontinenzförderung Der Expertenstandard (DNQP 2019b) schen mit Demenz benötigen.
oder zur Pflege von Menschen mit Menschen mit Demenz nach dem Er- Dies gilt insbesondere für die pflegeri-
chronischen Wunden, in der Pflege- halt und der Förderung ihrer sozialen sche Einschätzung der Bedürfnisse und
praxis weit verbreitet. und personalen Identität und der Stär- Bedarfe in der Beziehungsgestaltung
kung ihres Person-Seins in den Mittel- der Menschen mit Demenz sowie für
Expertenstandards benennen die punkt. Er nimmt dementsprechend kei- die Planung und das Angebot entspre-
Zielsetzung, Handlungsspielräume nen defizitorientierten Blick auf die chender Maßnahmen. Diese sollten
und Handlungsalternativen interakti- Pflege von Menschen mit Demenz ein, nicht auf Zuschreibungen beruhen, die
onsreicher pflegerischer Aufgaben in sondern konzentriert sich auf person- beispielsweise dem Verhalten von Men-
der direkten Versorgung pflegebedürf- zentrierte Interaktions- und Kommuni- schen mit Demenz eine bestimmte Ab-
tiger Menschen. Sie beruhen auf aktuel- kationsangebote, die die Beziehung sicht unterstellen. Pflegeprobleme sind
len theoretischen und praktischen Er- von Menschen mit Demenz zu anderen somit nicht aus institutioneller Sicht,
kenntnissen, die analysiert, bewertet Menschen, das Erleben von Gemein- sondern möglichst aus der Perspektive
und in eine praxistaugliche Form über- schaft und die Teilhabe am Alltagsleben des Menschen mit Demenz zu betrach-
tragen werden. Der formale Aufbau von erhalten und fördern sollen. Hierauf be- ten. So ist beispielsweise nicht von Be-
Expertenstandards ist immer gleich. gründet sich die Zielsetzung des Exper- lang, ob eine motorische Unruhe eines
Sie enthalten eine übergeordnete tenstandards, nach der jeder pflegebe- Menschen mit Demenz den Stations-
Zielsetzung und Begründung sowie dürftige Mensch mit Demenz oder Wohnbereichsablauf stört, son-
evidenzbasierte Struktur-, Prozess- Angebote zur Beziehungsgestaltung dern es sollte eine möglichst verstehen-
und Ergebniskriterien, die sich an den erhält, die sein Gefühl, gehört, verstan- de Perspektive eingenommen werden,
Schritten des Pflegeprozesses orientie- den und angenommen zu werden so- die versucht, das Verhalten aus Sicht
ren. Somit werden zu jedem pflegeri- wie mit anderen Personen verbunden des Menschen mit Demenz zu betrach-
schen Handlungsschritt von der zu sein, erhalten oder fördern (Roes et ten. Im Mittelpunkt der Einschätzung
Einschätzung eines Pflegerisikos über al. 2019). von Unterstützungsbedarfen in der Be-
die Planung und Durchführung von ziehungsgestaltung stehen im Sinne
Maßnahmen bis hin zur Evaluation Umsetzung des Expertenstandards des Expertenstandards kognitive, exe-
spezifische strukturelle Voraussetzun- kutive und kommunikative Fähigkeiten
gen sowie praktische Handlungen Bedeutsam für die Umsetzung des Ex- und Funktionen der Menschen mit De-
empfohlen und es wird ein gewünsch- pertenstandards und für eine gelingen- menz, ihre motorischen Fähigkeiten,
14 Nr. 85 · 04/2021 Das Thema