Page 20 - MagSI Magazin Nr. 85_2021
P. 20

tung und Behandlung erfordert. Das  dert sind, nach passenden Lösungen  • die Situation der Angehörigen be-
        kann sowohl ein plötzliches Ereignis als  für die individuelle Situation des Pati-  sondere Berücksichtigung finden
        auch eine absehbare Entwicklung für  enten zu suchen, bilden sich Synergie-  und
        den Krankenhausaufenthalt oder ein  effekte. Fallbesprechungen eignen sich  • die Gesamtsituation von Menschen
        selten auftretendes Phänomen sein,  dazu, die Fachkenntnis der unter-   mit demenziellen Einschränkungen
        das im Zusammenhang mit der Krank-  schiedlichen professionellen Berufs-  im Krankenhaus verbessert werden.
        heitssituation auftritt. Fallbesprechun-  gruppen zusammenzuführen und auf
        gen zeichnen sich durch einen gleich-  diesem Wege Entscheidungen abzusi-  Wesentliche Inhalte sind u. a.:
        berechtigten Informationsaustausch  chern. Sie fördern die Analysefähigkeit  • Wahrnehmen und Wissen
        unterschiedlichster Experten zu einem  von Pflegeproblemen und die gezielte  o Wahrnehmen und Beobachten
        Sachverhalt aus. Je nach Problemstel-  Suche nach Lösungen. Der gezielte In-  o Grundlagenwissen und Krank-
        lung können sie monodisziplinär (unter  formationsaustausch durch Fallbespre-  heitsbilder
        Pflegenden), interdisziplinär oder mul-  chungen führt zu einer veränderten  • Verstehen und Annehmen
        tidisziplinär stattfinden. Anwesend sind  Kommunikation und Zusammenarbeit  o Person-zentrierter verstehender
        dann alle Mitarbeiter, die an der Betreu-  zwischen den Berufsgruppen. Fallbe-  Ansatz
        ungs- und Versorgungssituation des  sprechungen erhöhen nicht nur die   o Ressourcen, Verluste, Bedürfnisse
        Bewohners bzw. Patienten mitwirken.  Qualität der Entscheidung und der Lö-  ermitteln
                                          sungsansätze für die Betroffenen, son-  o Annehmen durch person-zentrier-
        In dieser multiprofessionellen Kollegen-  dern entlasten Mitarbeiter, indem sich  te Haltung und Biographieorien-
        runde werden Lösungs-möglichkeiten  die Sicherheit der Wahl über die ge-  tierung
        für die individuellen Patienten-(fall)pro-  troffene Entscheidung erhöht  • Handeln und Evaluieren
        bleme erarbeitet, diskutiert und be-  (Schrems, 2013).                  o Erhalt von Ressourcen
        schlossen. Das zentrale Anliegen ist, ein                               o Kommunikationsformen
        umfas-sendes (Fall-)Verständnis der  Von besonderer Bedeutung erscheint  o Angehörige einbeziehen
        vielfältigen Kontextfaktoren, die eine  gerade bei Patienten mit Demenz der  o Spezielle pflegerische Versorgung
        Gesundheitssituation beeinflussen,  Informationsabgleich zwischen den    bei Personen mit Demenz
        zu entwickeln und Erkenntnisse daraus  ärztlichen Mitarbeitern und der Pflege,  o Abläufe im Krankenhaus an
        in klinische und pflegerische Entschei-  die v. a. mit den nicht-kognitiven Sym-  die Bedürfnisse anpassen
                                     ©FgSKW
        dungen einzubeziehen.             ptomen der Demenz, also mit heraus-
                                          fordernden Verhaltensweisen konfron-
                                                                               Demenzsensibles Krankenhaus
        Die Betreuung von Patienten mit einer  tiert ist. Dies gilt insbesondere auch für
        Demenz im Krankenhaus führt immer  die genaue Beobachtung von körper-li-  Auszug aus dem Vorwort des„Praxis-
        wieder zu Situationen, die gesondert  chen und psychopathologischen Verän-  leitfadens zum Aufbau demenzsensi-
        kommuniziert werden müssen. Diese  derungen im Rahmen von Medikamen-  bler Krankenhäuser“ der Robert-Bosch
        Patientengruppe zeichnet sich dadurch  tengaben. Vor allem die Rückmeldung-  Stiftung:
        aus, dass sie mit empfindlichen Verhal-  en des Pflegepersonals erlauben es
        tensveränderungen auf (häufige) Um-  den ärztlichen Mitarbeitern hier recht-  „In den letzten Jahren sind einige gute
        gebungs- und Personenwechsel re-  zeitig gegenzusteuern, beispielsweise  Konzepte entstanden, um speziell für
        agiert. Je nach Ausprägungsgrad der  geeignete Maßnahmen zu Delirprophy-  akut erkrankte Menschen mit Demenz
        Erkrankung können sie nicht oder nur  laxe zu ergreifen. Fallbesprechungen  im Krankenhaus eine Situation zu
        sehr schwer bewegt werden, sich z. B.  bilden hier eine ideale Plattform der  schaffen, die ihrer mehr gerecht wird
        an Therapien aktiv zu beteiligen. Indem  Kommunikation zwischen allen Betei-  als der übliche Rhythmus eines Kran-
        z. B. der Physiotherapeut zuvor gemein-  ligten. Wünschenswert wäre dabei  kenhausaufenthalts: Es gibt spezielle
        sam mit dem pflegerischen Team die  aus Sicht der Deutschen Alzheimer  Stationen mit Tagesbetreuung sowie
        speziellen Bedürfnisse, Wünsche und  Gesellschaft die Einbeziehung von  Gerontopsychiatrische und Geriatrische
        Einschränkungen bespricht, kann er ge-  Angehörigen.                 Konsiliardienste, die an einer umfassen-
        zielt auf die Situation eingehen. Er ver-                            den Versorgung von demenzerkrank-
        steht, dass es aus der individuellen Situ-  Schulung und Fortbildung  ten Menschen im Krankenhaus mitwir-
        ation andere Formen der                                              ken. Aus unserer Sicht ist jedoch
        Kontaktaufnahme als gewöhnlich be-  Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft  ein Aspekt besonders wichtig:
        nötigt, damit er diesen demenziell er-  hat ein Schulungscurriculum für Perso-  Die Mitarbeitenden in den Kranken-
        krankten Patienten physiotherapeu-  nal in Krankenhäusern entwickelt. Mit  häusern erwerben in speziellen
        tisch betreuen kann und wird nicht von  der Fortbildung sollen       Schulungen Wissen über die besondere
        abweichenden Reaktionen und Verhal-  • Mitarbeitende durch Vermittlung  Notwendigkeit eines sensiblen
        ten überrascht. Sobald von einem ho-  von Basiswissen und grundlegen-  Umgangs und einer angepassten
        hen und komplexen Pflegebedarf von    den Kompetenzen im Umgang und  Kommunikation mit diesen Menschen.
        Patienten(-fall)situationen auszugehen  Kontakt mit demenziell einge-  Dieser Praxisleitfaden zeigt anhand
        ist, profitieren alle beteiligten Berufs-  schränkten Menschen sensibilisiert  konkreter Handlungsaufforderungen
        gruppen von einer Fallbesprechung. In-  und ihr Arbeitsalltag erleichtert  und Umsetzungsbeispiele, wie Kran-
        dem Berufsgruppen gemeinsam gefor-    werden,                        kenhäuser demenzfreundliche Struktu-

     20                 Nr. 85 · 04/2021                                                             Das Thema
   15   16   17   18   19   20   21   22   23   24   25