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auf subtile Weise Detraktionen erhält, vorwiegend auf die ambulante oder in der person-zentrierten Pflege als Per-
beginnt sie an der Aufrichtigkeit der stationäre Langzeitversorgung ange- sönlichkeiten angesehen und ihr Ver-
Pflegenden zu zweifeln und wird miss- passt und nur in einer modifizierten halten als individuelle Ausdrucksform
trauisch, sie reagiert mit Gefühlen von Form auf die stationäre Krankenpflege respektiert.
Unsicherheit, Angst, Apathie, Aggressi- übertragbar. „Ungeachtet dessen bein-
onen und kann sich herausfordernd ge- halten sie Grundsätze und Methoden, die Validation
genüber Pflegenden verhalten“. unabhängig vom jeweiligen Versor-
Aufgrund von kommunikativen Ein- gungssetting Gültigkeit haben“. In den Die Validation wird zum einen als empa-
schränkungen nutzen Demenzkranke nun anschließenden Kapiteln werden thische Grundhaltung beschrieben, die
demnach herausfordernde Verhaltens- die zentralen Schwerpunkte vorgestellt. auf humanistische Prinzipien beruht.
weisen, um ihre unerfüllten Bedürfnisse Zum anderen stellt die Validation eine
und ihre Probleme zu äußern. Diese Tat- Qualifikation des Pflegepersonals Technik der Kommunikation mit de-
sache unterstreicht den zunehmenden menziell Erkrankten dar. Dabei wird be-
Paradigmenwechsel in Bezug auf das Pflegende, die nur geringe fachliche rücksichtigt, dass bei den Betroffenen
professionelle Pflegeverständnis von und psychosoziale Kompetenzen im die Sehkraft, das Gehör, das Kurzzeitge-
demenziellem Verhalten. Es handelt Umgang mit demenziell Erkrankten be- dächtnis und die Kontrollmechanismen
sich um eine Bewegung hin zu einer bi- sitzen, fühlen sich in herausfordernden des Sozialverhaltens nachlassen.
opsychosozialen Perspektive von her- Situationen oft hilflos und entwickeln Im Rahmen der Validation orientieren
ausfordernden Verhaltensweisen und dem Demenzkranken gegenüber Ge- sich die Pflegekräfte an dem emotiona-
einer Abwendung von einem rein me- fühle, wie Ärger oder Wut, was sich wie- len Gehalt des Gesagten bzw. des Ver-
dizinischen Kausalverständnis von De- derum negativ auf die Pflegebeziehung haltens der Demenzkranken ohne es
menz. In dem biopsychosozialen An- auswirken kann. Pflegende benötigen korrigieren zu wollen. Sie fokussieren
satz wird der Schwerpunkt nicht mehr professionelles Wissen, um die Versor- dabei die Ursachen des Verhaltens von
auf die reine Eliminierung oder Reduk- gungsqualität und die Pflegebeziehung Demenzkranken unter Berücksichti-
tion bestimmter Reaktionen gelegt. zum demenziell Erkrankten zu optimie- gung biografischer Faktoren sowie psy-
Vielmehr stehen Möglichkeiten zur All- ren. Das initiale Ziel der Qualifizierung chischer, sozialer und physischer Be-
tagsgestaltung Demenzkranker im Zen- von Pflegenden ist der Erwerb eines dürfnisse. Das befähigt die Pflegenden
trum der Betrachtung, um das Wohlbe- Grundverständnisses für die Erkran- zu einem gefühlsorientierten verste-
finden der Betroffenen zu kung Demenz sowie die Entstehungs- henden Umgang mit demenziell Er-
gewährleisten. zusammenhänge von herausfordern- krankten. Diese Umgangs- und Kommu-
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den Verhaltensweisen. Zusätzlich
nikationsform trägt insbesondere dazu
Insgesamt lässt sich festhalten, dass das sollten die Kognition, die Emotion und bei, dass sich der Betroffene von der be-
Wissen über die Erkrankung Demenz die Haltung der Pflegenden angespro- treuenden Pflegekraft als Person ange-
und die Entstehungszusammenhänge chen werden, damit sie ein Verständnis nommen fühlt und dadurch Vertrauen
von herausfordernden Verhaltensweisen für die Situation und das Verhalten von in die Pflegesituation aufbaut. Heraus-
die Basis für eine erfolgreiche Planung Demenzkranken entwickeln können. fordernde Verhaltensweisen, die
und Durchführung pflegerischer Inter- Im weiteren Schritt sollten Pflegende in demenziell Erkrankte aufgrund von
ventionen darstellt. Laut der Verstehen- ihren Interaktions- und Verstehenskom- unverständlichen Pflegesituationen
den Diagnostik sollte der Fokus pflegeri- petenzen im Umgang mit demenziell und dem Gefühl„nicht verstanden zu
schen Handelns auf die Bedürfnisse des Erkrankten qualifiziert werden, sodass werden“ entwickeln, können durch
Demenzkranken ausgerichtet sein und sie situativ angemessen auf die heraus- eine validierende Kommunikation
nicht auf die reine Reduktion eines für fordernden Verhaltensweisen und Be- vorgebeugt werden. Durch die Validati-
die Umwelt störenden Verhaltens. Ne- findlichkeiten reagieren können. Schu- on können Ursachen für herausfordern-
ben dem ist die Expertise über geeigne- lungen sollten zudem einen Theorie- de Verhaltensweisen erkannt werden
te pflegerische Maßnahmen zur Deeska- Praxis-Transfer leisten, damit das erwor- und deren Eskalation durch adäquate
lation von herausforderndem Verhalten bene Wissen effektiv in die Praxis um- pflegerische Maßnahmen vermieden
ein zentraler Aspekt für die Sicherung gesetzt werden kann. werden, wie z. B. Schmerzmittelgabe
der Versorgungsqualität demenziell Er- nach Arztanordnung bei lautem
krankter. In der Literatur werden die An- Person-zentrierte Umgangs-und Schreien und Rufen mit Anzeichen
sätze zur pflegerischen Versorgung von Kommunikationsformen des Unwohlseins. Die validierende
Demenzkranken als„demenzsensible Grundhaltung und die Techniken der
nicht-medikamentöse Konzepte“ be- In der Literatur wird der person-zen- Validation sind laut Naomi Feil in allen
schrieben. Die relevanten Methoden trierte verstehende Ansatz als wesentli- pflegerischen Situationen, somit auch
hinsichtlich der Versorgung Demenz- che Voraussetzung für den Umgang in der Stomaversorgung, einsetzbar.
kranker im Akutkrankenhaus werden im und die Kommunikation mit demenzi- Ferner werden in der Literatur weitere
folgenden Kapitel kurz skizziert. ell Erkrankten gefordert. Es handelt sich Kommunikationsregeln mit Demenz-
um eine Grundhaltung, die auf dem kranken empfohlen, die ebenfalls
Demenzsensible nicht- Prinzip der Wertschätzung und des Re- zentrale Aspekte der person-zentrierten
medikamentöse Konzepte spekts beruht. Bei der person-zentrier- Kommunikation beinhalten, wie z. B.
ten Perspektive steht der Mensch und vor einer pflegerischen Maßnahme
Die aktuellen demenzspezifischen nicht die Erkrankung Demenz im Mit- den Blickkontakt mit Demenzkranken
nicht-medikamentösen Ansätze sind telpunkt. Demenziell Erkrankte werden aufnehmen.
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