Page 26 - MagSI Magazin Nr. 85_2021
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Basale Stimulation menzsensiblen nicht- medikamentösen grund der gemeinsamen Lebenserfah-
Konzepten wird, neben der person-zen- rungen. Durch die Einbeziehung der
Die person-zentrierte Kommunikations- trierten Kommunikation, auch der bio- Angehörigen können Pflegende somit
form der basalen Stimulation ist ein grafieorientierten Arbeit eine zentrale Informationen und Hinweise erhalten,
körperorientiertes Konzept. Dabei wird Rolle beigemessen. welche die individuellen Entstehungs-
davon ausgegangen, dass jeder zusammenhänge von herausfordern-
Mensch- bis zu seinem Tode- über sei- Biografieorientiertes Arbeiten dem Verhalten nahvollziehbarer wer-
nen Körper mit sich und der Außenwelt den lassen. Diese Grundlage ermöglicht
in Kontakt steht sowie wahrnehmungs- In der Literatur wird das biografieorien- den Pflegenden ihre Interventionen an
fähig ist. Eine grundlegende Möglich- tierte Arbeiten bei demenziell Erkrank- die individuellen Bedürfnisse des de-
keit der Kontaktaufnahme findet über ten mit herausfordernden Verhaltens- menziell Erkrankten anzupassen. Die
den Körper, in Form von Berührungen weisen empfohlen. Mithilfe von Aufgabe der Pflegenden ist es die Ein-
und Bewegungen, statt. Basale Sinne, biografischen Informationen können bindung der Angehörigen zu planen
wie die vestibuläre, vibratorische und Verhaltensweisen von demenziell Er- und zu gestalten. Die Form der Einbin-
somatische Wahrnehmung werden da- krankten optimaler gedeutet werden. dung orientiert sich dabei an den Mög-
bei angesprochen. Das primäre Ziel der Weiterhin ermöglichen sie eine Anpas- lichkeiten der Angehörigen. In der Sto-
basal stimulierenden Pflege ist es, Be- sung der pflegerischen Maßnahmen an mapflege kann es z. B. die reine Präsenz
rührungen verstehbar zu machen. Be- die individuellen Vorlieben und Ge- des Angehörigen sein oder ihre Stim-
rührungen von Pflegekräften sollen für wohnheiten des Betroffenen. In der me, welche zur Deeskalation von her-
den demenziell Erkrankten nicht als An- Stomapflege könnte es beispielsweise ausfordernden Verhaltensweisen bei-
griff oder Eingriff wahrgenommen wer- sein, dass der demenziell Erkrankte bei trägt. Im Rahmen der demenzsensiblen
den, sondern vielmehr als Versuch der der Reinigung der peristomalen Haut nicht-medikamentösen Konzepte wird
Kontaktaufnahme und Unterstützung. die Verwendung von angefeuchteten neben der Angehörigenarbeit auch die
„Die somatische Anregung versucht also Vlieskompressen mit kaltem Wasser be- Nutzung von spezifischen Assessmen-
einerseits dem schwer beeinträchtigten vorzugt statt der üblichen lauwarmen tinstrumenten empfohlen. Dazu gehö-
Patienten Informationen über den eige- Anfeuchtung. Weiterhin tragen biogra- ren bspw. die BESD (Beurteilung von
nen Körper zu geben, andererseits die Be- fische Informationen über einen de- Schmerzen bei Demenz).
rührungsqualitäten der Pflegenden so zu menziell Erkrankten zu der Entwicklung
systematisieren und zu verbessern, dass von Lösungsstrategien für herausfor- BESD (Beurteilung von Schmerzen
keine zusätzlichen Irritationen, Ängste, ja dernde Verhaltensweisen bei. So kann bei Demenz)
Fröhlich 2012, S. 50). Für die Vor- und©FgSKW
die Identifikation von positiven Lebens-
vielleicht sogar Störungen im Körperbild
themen für die Kommunikation mit Be-
beim Patienten entstehen“ (Bienstein/
Operationen verursachen je nach Um-
on unterschiedlich starke Schmerzen.
Nachbereitung einer pflegerischen troffenen genutzt werden, um Gefühle, fang, Operationstechnik und Lokalisati-
wie Angst oder Aggression, in positive
Maßnahme, wie dem Stomaversor- Gefühle, wie Freude, umzulenken. Bio- Bedingt durch die stetige Abnahme des
gungswechsel, wird in der basalen Sti- grafisches Wissen verhilft Pflegenden Sprachvermögens und der Kognition,
mulation z. B. die Anwendung von Initi- zu einem besseren Verständnis von her- sind demenzkranke Menschen im Sta-
alberührungen bei demenziell ausfordernden Verhaltensweisen und dium der schweren Demenz nicht mehr
Erkrankten empfohlen, die eine verbale erhöht ihre empathischen Kompeten- in der Lage ihre Schmerzen eindeutig
Kontaktaufnahme nicht mehr kognitiv zen. zu verbalisieren und zeigen dann häu-
erfassen können. Die Initialberührung fig herausfordernde Verhaltensweisen
ist eine ritualisierte Begrüßung und Ver- Angehörigenarbeit als Ausdruck der Schmerzäußerung.
abschiedung durch einen somatischen Demenziell Erkrankte benötigen dem-
Reiz. Diese klaren Signale zu Beginn Die Beratung und Anleitung von Ange- nach eine besondere Aufmerksamkeit
und zum Ende einer Pflegesituation hörigen sind bereits zentrale Aufgaben bei der Schmerzerfassung. Bei stark
sorgen dafür, dass sich demenziell Er- des Stomatherapeuten im Akutkran- kommunikativ und kognitiv einge-
krankte besser auf pflegerische Inter- kenhaus. Im Rahmen eines stationären schränkten Menschen mit Demenz soll-
ventionen einlassen können und nicht Klinikaufenthaltes von Patienten mit te die Schmerzeinschätzung auf der Be-
verunsichert auf unangekündigte Maß- Demenz hat die Einbindung von Ange- obachtung von nonverbalen
nahmen warten. Initialberührungen hörigen oder nahestehenden Bezugs- Schmerzäußerungen, auf physiologi-
können somit herausfordernde Verhal- personen eine zusätzliche Bedeutung. sche Hinweise (z. B. Blutdruck) und auf
tensweisen deeskalieren, die sich auf Angehörige sind für den demenziell Er- Informationen von Angehörigen basie-
Stress und Angst durch unklare Situati- krankten wichtige Bezugspersonen und ren. Die BESD umfasst die Kategorien
onen begründen. Körpernahe pflegeri- vertraute Kommunikationspartner. Atmung, negative Lautäußerungen, Ge-
sche Maßnahmen sollten also nicht nur Folglich stellen sie eine stabile Konstan- sichtsausdruck, Körpersprache und
funktional durchgeführt werden, son- te in einer für den demenziell Erkrank- Trost. Die Anleitung für die Beobach-
dern als Kommunikations-, Wahrneh- ten fremden Umgebung dar. Die Anwe- tung und Auswertung liegen der Skala
mungs- und Orientierungsmöglichkei- senheit der Angehörigen trägt zu einer bei, sodass Pflegende eindeutige Hand-
ten verstanden werden. Dabei können Steigerung des Wohlbefindens und ei- lungsanweisungen erhalten. Das
im Weiteren auch zusätzliche Sinneska- ner Reduktion psychischer Belastungen Fremdeinschätzungsinstrument BESD
näle genutzt werden, wie sehen, hören, bei. Darüber hinaus verfügen Angehö- kann den Pflegenden eine Unterstüt-
riechen und schmecken. In den de- rige über biografisches Wissen auf- zung der Schmerzerfassung von kom-
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