Page 33 - MagSI Magazin Nr. 85_2021
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und bei sich sind, wenn der Alltag zu- mär identifiziert werden. Dabei gibt es immer mehr und geht am Betroffenen
rückkommt. Es freut mich sehr zu erfah- vielfältige Lösungsansätze und Bera- verloren.
ren, dass Patientinnen schwanger sind tungsbedarf, der von Ernährungsbera-
und ich es oftmals auch noch als Erste tung, Biofeedback, Beckenbodentrai- FGSKW: Wie sieht die Zukunft der Pfle-
erfahre. Es ist faszinierend, sobald ein ning über Hautschutzmaterial bis zu ge ihrer Meinung nach aus und wie bli-
Mensch seine neue Situation annimmt der transanalen Irrigation reicht. In un- cken Sie in die Zukunft?
und Urlaube, Sport und Alltag trotz Be- serem Team können wir auf Kollegin-
einträchtigung möglich sind. Es be- nen und Kollegen mit langjähriger Er- Ott-Hartusch: Die Attraktivität des Pfle-
stärkt, wenn Menschen sich freuen fahrung zu diesen Themen geberufes muss gesteigert werden, dies
mich sehen, besonders wenn ich helfen zurückgreifen, das natürlich ein großer beginnt bei der Wertschätzung in der
und unterstützen konnte- dann ist Vorteil für die Betroffenen. Gesellschaft und endet bei der Vergü-
mein Tag erfüllt. Was einem diese Mo- tung. Wenn die Politik das nicht schafft,
mente zurückgeben ist nicht messbar. FGSKW: Was sind denn ihrer Meinung wird diesen wunderbaren Beruf, in dem
Gerne möchte ich in dem Zusammen- nach die Wünsche der Betroffenen es sehr viele Weiterentwicklungsmög-
hang ein Erlebnis schildern. Ein Patient selbst? lichkeiten gibt, keiner mehr ergreifen
lehnte sein Stoma beharrlich ab. Bei je- wollen.
dem Besuch sagte der Stomaträger Ott-Hartusch: Eine persönliche An-
„jetzt kommt DIE schon wieder“. Er sprechpartnerin oder Ansprechpartner FgSKW: Bauen Sie eine Beziehung zu
konnte seinen künstlichen Ausgang zu haben, Zuverlässigkeit in der Bera- Ihren Patientinnen und Patienten auf?
nicht ansehen und wollte das so nicht tung und Belieferung. Fachlichkeit mit
haben. Beharrlich bin ich zu ihm immer Herz und Verstand. Ott-Hartusch: Um eine gute Beratungs-
wieder zur Beratung gekommen, und qualität zu erzielen ist ein gewisses
eines Tages sagte er zu mir als ich die FgSKW: Hat sich die Pflege im Laufe der Empathievermögen notwendig. Dieses
Tür aufmachte„Meine Sonne kommt“. Jahre verändert? Wo gibt es ihrer Mei- spiegelt sich auch in einer persönlichen
Dies war der Tag, an dem der Patient nung nach Schwachstellen und was hat Beziehung zu den Betroffenen und de-
seine neue Situation annehmen konn- sich verbessert? ren Angehörigen wider. Vertrauen ist
te. Wir haben heute noch Kontakt. für mich die Basis und ein fester Be-
Ott-Hartusch: Meiner Meinung nach standteil meiner Arbeit.
Es ist schön zu hören, wenn Menschen hat sich die Behandlung und Versor-
mir sagen wie wichtig und wertvoll ich gung von Betroffenen mit einem Stoma FgSKW: Wie beschreiben Sie ihren Job
©FgSKW
für sie in ihrer schweren Zeit gewesen mit den entstandenen DKZ verbessert. in drei Worten?
bin:„Du warst eine wichtige Person in Ebenso hat sich das Verständnis für die
meinem Leben und dich werde ich nie Bedürfnisse der Patientinnen und Pati- Ott-Hartusch: Empathie, Fachlichkeit,
vergessen so wie du mir geholfen hast... enten vorteilhaft entwickelt. Die Zu- Flexibilität.
du bist in meinem Herzen, ich wünsche sammenarbeit mit pflegerischem und
dir das Beste im Leben... du bist ein be- ärztlichem Personal sowie den Selbst- FgSKW: Vielen Dank für Ihre Zeit und
sonderer Mensch... hilfegruppen funktioniert mittlerweile die Möglichkeit für das Interview.
sehr gut. Des Weiteren hat sich die all-
FgSKW: Hören Sie eigentlich nach der gemeine medizinische Versorgung po- Katharina Ott-Hartusch
Stomarückverlagerung später nochmal sitiv verändert. Es gibt moderne, besse- info@actario.de
von Ihren Patientinnen und Patienten? re Therapieformen und Operations-
möglichkeiten die oftmals eine Sto- Das Interview führte
Ott-Hartusch: Vielen Betroffenen mit maanlage nicht erfordern. Im guten Margarete Wieczorek
Stoma geht es gut nach der Stomarück- Sinne sehe ich, dass sich der Homecare
verlagerung. Dennoch halte ich den Bereich etabliert hat und in Pandemie-
Kontakt auch nach der Operation. Es ist zeiten systemrelevant ist. Wir schließen
wichtig Betroffene, die Probleme nach Lücken in der Überleitung, vermeiden
der Rückverlagerung haben, darüber zu optimalerweise Drehtüreffekte, womit
informieren, dass sie sich weiterhin an wiederum Kosten eingespart werden
mich wenden können. Innerhalb des können. Wir PSKW im Homecare be-
ärtzlichen Personals und den Selbsthil- kommen immer mehr Wertschätzung
fegruppen steigt das Bewusstsein zu ei- und Gehör von ärztlicher Seite und
nem Unterstützungsbedarf nach den werden nicht mehr als nur reiner
Stomarückverlagerung. Des Weiteren „Lieferservice“ wahrgenommen.
steigt die Sensibilität in der Fachwelt Ich erlebe, dass gerne mit uns zusam- Frau Katharina Ott-Hartusch arbeitet
für diese Problematik. Das Low anterior mengearbeitet wird, sei es im stationä- beim Homecare Unternehmen
resection Syndrom (LARS) ist ein be- ren oder niedergelassenen Bereich- Actario® als Pflegeexpertin Stoma
kanntes Problem nach tiefer Rektumre- auch Krankenkassen schätzen unsere Kontinenz und Wunde. Seit über
sektion, wobei viele Lebensqualitäts- Beratungskompetenz. Betrachten wir 20 Jahren ist sie im Außendienst
studien nach Stomarückverlagerung die negativen Aspekte ist meiner Mei- und berichtet von persönlichen
durchgeführt werden. Um unterstützen nung nach ein Bürokratieabbau erfor- Eindrücken, Erlebnissen und Erfahr-
zu können, müssen die Probleme pri- derlich. Die Zeit am Schreibtisch wird ungen aus ihrem Alltag.
Das Thema Nr. 85 · 04/2021 33